10 Tipps für deine bessere Sensorik
Diese 10 Tipps machen dir das Sensorik-Leben leichter
Manche Menschen sind einem glatt unheimlich: Zu denen gehören die, die den Geschmack ihres Kaffees in den schönsten und treffendsten Worten beschreiben.
„Noten von dunkler Kirsche, Rosine und roten Trauben mit einer spritzig-komplexen Säure, die an schwarze Johannisbeeren und Rhabarber erinnert, einem sirupartigem Körper und einem flotten, kurzen Nachgeschmack.“
Und, könntest du dir diesen Kaffee gut in deiner Tasse vorstellen?
Für alle unter uns, die sich mit ihren sensorischen Fähigkeiten etwas schwerer tun, haben wir für dich 10 Vorschläge, wie es dir schon in kurzer Zeit gelingt, bessere Ergebnisse zu erzielen.
#1: Den Grundgeschmack trainieren
Süß, sauer, salzig, bitter, umami – Das sind unsere Grundgeschmacksarten. Wenn wir das Geschmacksprofil eines Kaffees beschreiben wollen, müssen wir wissen, wie sich süß oder sauer bei uns auf der Zunge anfühlt.
Daher bietet sich ein regelmäßiges Training nur mit Zucker- und Salzlösungen an, die du selbst herstellen kannst.
Hier findest du Angaben für jeden Grundgeschmack. Ideal ist es, sie mit heißem Wasser anzurühren und im kalten Zustand zu verkosten. Die Angaben beziehen sich auf 1 Liter Wasser.
Zubehör: Saubere Flaschen, Waage, Wasser (z.B. destilliertes Wasser), Grundgeschmack
Vorgehen: Grundgeschmack für einen Liter Wasser abwiegen und in die saubere Flasche füllen. Mit heißen Wasser auffüllen, bis ein Liter erreicht ist. Gut verrühren und abkühlen lassen.
Rezepte
- Süß: 24 Gramm Zucker auf einen Liter Wasser
- Sauer: 1,2 Gramm Zitronensäure auf einen Liter Wasser
- Salzig: 4 Gramm Natriumchlorid auf einen Liter Wasser
- Bitter: 0,54 Gramm Koffein auf einen Liter Wasser
- Umami: 2 Gramm Mononatriumglutamat auf einen Liter Wasser
Tipp:
Wenn dir ein Liter zu viel ist, rechne das Rezept auf eine für dich passende Größe um, zum Beispiel 600 ml, 500 ml oder 400 ml.
#2: Viel, viel Kaffee trinken
Was dir hilft, deine sensorischen Fähigkeiten zu trainieren, ist Kaffee trinken. Und noch mehr Kaffee trinken. Und nochmals: Kaffee trinken.
Achte dabei genau auf deine Wahrnehmung im Mundraum, auf deiner Zunge und deiner Nase:
- Welche Aromen nimmst du wahr?
- Wie flüssig oder dickflüssig fühlt sich der Kaffee in deinem Mund an?
Versuche so oft es geht, Kaffees
- aus verschiedenen Anbauländern,
- mit verschiedener Aufbereitung,
- mit unterschiedlichen Kultivaren,
- unterschiedlichen Röstungen und, falls möglich,
- aus verschiedenen Ernten zu probieren.
Das gilt sowohl für Arabica als auch für Canephora-Sorten. Was du konkret tun kannst: Probiere Kaffees von verschiedenen Rösterkollegen und -kolleginnen. Oder halte Ausschau nach Cuppings von Rohkaffeehändlern oder von anderen Anbietern (z.B. Kaffeeschulen).
Wenn es für dich funktioniert, mache dir Notizen zu den Kaffees.
Die beste Zeit deinen Grundgeschmack zu trainieren ist...
….morgens zwischen 10 und 12 Uhr. Der Gaumen ist noch frei von den Einflüssen des Tages.
#3: Aufmerksam Essen
Beginne Lebensmittel bewusst zu konsumieren: Wie fühlt sich die Textur einer Tomate an? Ist Zitrone wirklich nur sauer, oder kann sie auch etwas süß sein?
Versuche einmal die Unterschiede zwischen Limette, Zitrone und Grapefruit zu beschreiben.
Jedes Lebensmittel bringt – genau wie Kaffee – Eigenschaften wie Süße, Säure, Bitterkeit, Nachgeschmack und Textur mit. Übe mit jedem Lebensmittel diese Eigenschaften bewusst wahrzunehmen und in deinem Gedächtnis abzuspeichern.
Versuche dazu, die Eigenschaften einer Zitrone oder einer Tomate mit einem passenden Bild in deinem Gedächtnis zu verbinden.
#4: Trainiere mit Säuren im Kaffee
Mit Säuren im Kaffee sind diese hier gemeint: Milchsäure (Lactic), Weinsäure (Tartaric), Zitronensäure (Citric) und Apfelsäure (Malic). Jede dieser Säuren sorgt für verschiedene Eigenschaften in der Kaffee-Sensorik. Viel Milchsäure im Kaffee zum Beispiel führt zu einem cremigeren Mundgefühl und einem milchartigen Körper des Kaffees. Um deine Sensibilität für diese Säuren im Kaffee zu trainieren, kannst du folgendermaßen vorgehen:
Brühe dir einen aromatischen, aber nicht zu auffälligen Kaffee, zum Beispiel einen Brazil Santos. Nimm 50 Gramm Kaffeemehl für einen Liter Kaffee. Verteile den gebrühten Kaffee in fünf Cupping-Schalen. Jede Schale enthält nun gleichviel Kaffee. Versetzte vier der fünf Cupping-Schalen mit jeweils einer der oben genannten Säuren, und zwar mit je 0,2 Gramm.
Dein Ziel sind fünf Cupping-Schalen:
- Eine enthält puren Kaffee,
- eine enthält puren Kaffee versetzt mit 0,2 Gramm Milchsäure,
- eine enthält puren Kaffee versetzt mit 0,2 Gramm Weinsäure,
- eine enthält puren Kaffee versetzt mit 0,2 Gramm Zitronensäure und
- eine Schale enthält puren Kaffee versetzt mit 0,2 Gramm Apfelsäure.
Probiere alle Kaffees und vergleiche sie mit dem puren Kaffee.
Als Nächstes vertausche die Reihenfolge der Kaffees und erkenne blind, in welcher Cupping-Schale sich welcher Kaffee befindet.
Wer hätte es gedacht?
Gerüche werden sehr langsam innerhalb des Körpers übermittelt: Es braucht 400 Millisekunden bis wir einen olfaktorischer Reiz wahrnehmen.
Zum Vergleich: Einen optischen Reiz nehmen wir in 45 Millisekunden wahr.
Auch die Erinnerung an Gerüche braucht Zeit. Zwischen 600 und 800 Millisekunden sind nötig, um eine Erinnerung durch einen Geruchsreiz zu wecken.
#5: Mit anderen Kaffee-Profis über Kaffee sprechen
Während das eigentliche Cupping eine schweigende Angelegenheit ist, profitierst du vom gemeinsamen Austausch mit den anderen Teilnehmern nach dem Cupping in ungeahntem Maße.
Besprecht zusammen jeden einzelnen Kaffee, der auf dem Tisch steht. Und zwar anhand eines Cupping-Bewertungsbogens, den ihr während des Cuppings verwendet habt. Die Eigenschaften eines Kaffees notiert ihr während des Cuppings auf diesem Bewertungsbogen. Welche Eigenschaften bringt jeder Kaffee mit, woran erinnert dich das Aroma, woran erinnert dich die Süße und der Nachgeschmack? Wie viele Punkte hat jeder diesem Kaffee gegeben?
Versucht euch zusammen auch zu überlegen, für welche Zielgruppe oder für welchen Zweck (zum Beispiel Röstung als Filterkaffee oder als Espresso) er geeignet sein kann.
#6: Kaffeevokabular üben
Manchmal ist es schwer, die treffenden Worte zu finden, um Kaffee zu beschreiben. Ziehe hier bestehendes Material hinzu, wie zum Beispiel
- ein Aromarad oder
- das Sensory Lexikon der „World Coffee Research“.
Du kannst beim ersten Verkosten das Material in Sichtweite hinlegen und zu Rate ziehen.
Versuche dann in einem zweiten Schritt den gleichen Kaffee erneut zu verkosten: Dieses Mal allerdings nur mit einem weißen Blatt Papier und versuche deine eigenen Gedanken für jeden Kaffee zu notieren. Vergleiche deine beiden Ergebnisse.
2 erprobte Wege, sich Aromen gut zu merken
Düfte, und nichts anderes sind Aromen, können wir uns besser merken, wenn wir Folgendes tun:
1. wir versuchen den Duft zu benennen
2. wir verbinden den Duft mit einem Ereignis aus unserem Leben
Lyman und McDaniel wiesen 1986 nach, dass diese beiden Methoden besser wirken, statt einfach nur an einem Duft zu riechen oder ihn sich bildlich vorzustellen.
#7: Kaffees aus einem einzelnen Anbauland trinken
Jedes Kaffeeanbauland bietet unterschiedliche Mikro-Klimata und damit unterschiedliche Geschmacksnoten. Versuche einmal, viele unterschiedliche Kaffees aus einem einzigen Ursprungsland zu verkosten. Du lernst, wie unterschiedlich die Aromatik in einem Land sein kann. Gerade bei Cuptasting-Kaffeemeisterschaften wird gerne auf Kaffees aus einigen wenigen Ländern zurückgegriffen.
#8: Triangel-Tests durchführen
Eine sehr gute Möglichkeit, die eigene Sensorik zu trainieren, sind Triangel-Tests und In-/Out-Tests.
Triangel-Tests werden zum Beispiel bei Kaffeemeisterschaften in der Disziplin Sensorik eingesetzt. Die Aufgabe besteht darin, aus einem Set von drei Kaffees den zu finden, der von den anderen beiden abweicht.
Umgekehrt geht es beim In-/Out-Test zu: Von den drei Kaffees beim In-/Out-Test bildet ein Kaffee den Referenzkaffee. Von den anderen beiden Kaffees ist derjenige zu finden, der mit dem Referenzkaffee identisch ist. Dieser Test kommt häufig bei Qualitätskontrollen vor, um die Gleichheit des Produktes sicherzustellen.
Das Schöne bei diesen beiden Sensorik-Tests ist, dass die Schwierigkeit einfach anzupassen ist. Mehr zu diesen beiden Tests findest du in einem eigenen Artikel darüber.
#9: Aromen trainieren
Besorge dir verschiedene ätherische Aromastoffe, die im Kaffee enthalten sind, zum Beispiel Limette, Zartbitterschokolade oder Blaubeere.
Du kannst auch auf ein Set zurückgreifen, welches Anbieter für dich zusammengestellt haben, zum Beispiel
- Olfactorium von Belco aus Frankreich,
- Aromabar aus Hamburg,
- T100 von ScentOne oder
- Le Nez du Café.
Übe, die verschiedenen Aromen richtig zuzuordnen. Mit dem Training von Aromen schon einmal pro Monat sind beeindruckende Ergebnisse zu erzielen.
#10: Lernen, wie das Gehirn funktioniert
Wenn du weißt, wie die sensorischen Wahrnehmungen deiner Zunge und deiner Nase im Gehirn ankommen, kannst du dieses Wissen im Lernen um deine Sensorik besser nutzen.
Konkret verbessert sich für dich:
- Du verstehst, wie dein Körper Kaffee wahrnimmt.
- Du lernst, wann du salzig wahrnimmst und wann deine Zunge bitter meldet.
- Du lernst, wie dein Gedächtnis Aromen lernt und wieder zur Verfügung stellt.
- Du lernst, wie du dir Eigenschaften besser merken kannst und wie du deine Sinne für eine bessere Sensorik einsetzen kannst.
Die Magie, deine Sensorik zu verbessern, liegt vor allem im Üben, Üben und nochmals Üben.
Bleibe konstant dran und erstelle dir einen Trainingsplan. Die vielen Tipps aus diesem Artikel musst du nicht alle an einem Tag umsetzen. Überlege dir eine Abfolge, die zu dir und deinem Tagesablauf passt plus das Ziel, welches du erreichen willst. Wenn du deine Ergebnisse je Trainingseinheit notierst, kannst du außerdem sehen, wo deine Stärken und deine Schwächen in der Sensorik liegen.