Was ist “Decaf” und wie röste ich ihn richtig?
Dieser Artikel ist für dich, wenn du wissen willst,
worin sich entkoffeinierter Kaffee von anderem Kaffee unterscheidet
was du beim Rösten beachten möchtest und
welche Arten der Entkoffeinierung es gibt und worauf du beim Lesen der Rohkaffee-Liste aufpassen kannst
Ganz gleich, ob du entkoffeinierten („decaf“) Kaffee in der Tasse magst oder nicht: Deine Kunden lieben ihn eventuell und du kannst sie mit einer guten Röstung glücklich machen.
Denn jeder, der schon mal entkoffeinierten Kaffee geröstet hat, weiß, dieser Kaffee erfordert eine andere Röstung als deine koffeinhaltigen Kaffees.
Es gibt unterschiedliche Arten, Kaffee zu entkoffeinieren, das heißt, dem Kaffee weitestgehend das Koffein zu entziehen. Mehr dazu weiter unten. Doch eines ist allen Verfahren gleich: Die Bohne und ihre Struktur haben sich verändert. Und das ist der Grund, sich damit einmal näher zu befassen. Denn: Es fehlt das Koffein.
Naja, nicht ganz, ein kleiner Rest ist noch in der Bohne drin. Aber es fehlt doch in großen Teilen, und das hat Konsequenzen für die Bohnenstruktur, die wir uns ansehen sollten:
Andere Dichte: Die entkoffeinierte Bohne hat eine andere Dichte, als eine Bohne mit Koffein. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass Koffein sehr schwer ist und maßgeblich zum Gewicht und zur Dichte einer Bohne beiträgt. Dennoch entzieht die Entkoffeinierung der Bohne auch noch andere Bestandteile und macht sie porös.
Andere Farbe: Durch jedes Verfahren, das Koffein der Bohne zu entziehen, verändert sich die Farbe des Rohkaffees. Eine entkoffeinierte Bohne ist dunkel grün bis dunkel bräunlich, manchmal auch schwarz.
Dadurch dürfen wir uns nicht täuschen lassen, denn sonst passiert eins oder mehrere der folgenden Dinge:
Häufig täuscht uns die Farbe des Rohkaffees über die Dichte und Struktur der Bohne hinweg. Und das kann sich deutlich bei der Energie-Aufnahme bemerkbar machen.
Die Oberfläche ist porös und durchlässig. Wie ein offenes Fenster in deiner Rösterei. Das bedeutet auch, dass die Bohne nicht viel Energie in sich halten kann. Ebenso vergrößert sich die Oberfläche mit der die Bohne Wasser abgibt.
Gut zu wissen:
Die entkoffeinierte Bohne hat durch die Entkoffeinierung schon einen Behandlungsprozess hinter sich. Während anderer Rohkaffee mit der Röstung seine erste Veredelung erfährt, ist es für die entkoffeinierte Bohne schon die zweite Behandlung.
Ein weiterer beachtenswerter Unterschied ist, das meist fehlende oder nur in Teilen vorhandene Silberhäutchen beim entkoffeinierten Kaffee. Als eine Stufe des Entkoffeinierens ist es wegpoliert und kann sich im Röstprozess also nicht lösen.
Worauf wir in den einzelnen Phasen beim Rösten achten
Hier kommen einige Anregungen, worauf es sich zu achten lohnt, wenn wir entkoffeinierten Kaffee rösten:
Trocknungsphase
Wir wissen, dass unsere entkoffeinierte Bohne poröser ist. Sie trocknet schneller und hält unsere Hitze nicht in sich drin. In der Trocknungsphase wollen wir deswegen moderat Gas geben, damit uns die Bohne nicht von außen gut angeröstet ist, aber von innen praktisch noch roh. Geschmacklich macht sich dies sonst in unangenehmen, adstringierenden Säuren bemerkbar, denen zeitlich auf dem Fuße Röstnoten folgen.
Der First Crack
Nicht wundern sollte uns, wenn der First Crack eher kommt als bei koffeinhaltigen Bohnen. Insgesamt verkürzt sich jede Röstphase. Der Grund liegt in der Porösität unserer Bohne. Daher kommt auch der First Crack eher. Hierauf sollten wir uns einstellen.
Entwicklungszeit (DEV)
Während der Entwicklungszeit sind wir sehr wachsam, denn sonst landen wir mit dem Kaffee schneller im zweiten Crack als uns lieb ist. Die Bohne ist unterschiedlich porös von Natur aus und weicher als eine koffeinhaltige Bohne. Daher entwickelt sie sich schneller.
Rösten nach Farbe
Benutzen wir nur die optische Kontrolle mit dem Probenzieher, müssen wir aufpassen, dass wir uns von der ungleichmäßigen Farbe der Bohnen nicht verleiten lassen, den Röstprozess zu verkürzen. Gerade wenn wir eher etwas heller rösten, kann ein entkoffeinierter Kaffee für uns zu Herzrasen führen („Hoppla, der wird aber dunkel, vielleicht zu dunkel,…“). Wir glauben, der Kaffee sei schon kurz vor dem zweiten Crack und entlassen ihn, obwohl der Kaffee noch gut hätte drin bleiben können. Wir haben uns von der dunklen Farbe täuschen lassen.
Mahlen zur Kontrolle
Auch wenn dieser Schritt nichts mit dem Rösten an sich zu tun hat, dient es doch als Qualitätskontrolle. Und zwar mahlen wir den Kaffee nach dem Rösten und bestimmen den genauen Farbwert. Dies dient nachzusehen, ob die Bohne durchgeröstet ist, oder ob sie nur außen braun ist und innen noch roh.
Welche Verfahren gibt es, Kaffee zu entkoffeinieren? Ein kurzer Überblick und wie wir das Verfahren in der Rohkaffeeliste erkennen
Um dem Rohkaffee das Koffein zu entziehen, sind diese drei Schritte bei jedem Verfahren zu beobachten: Im ersten Schritt wird der Rohkaffee angefeuchtet bzw. bedämpft, im zweiten Schritt wird das Koffein mittels eines Lösungsmittels entzogen, und im dritten Schritt wird der Rohkaffee auf eine Restfeuchte von 10 bis 12% getrocknet.
Es gibt unzählige Wege und Methoden, das Koffein aus dem Rohkaffee zu ziehen. Wir wollen uns hier nur die gängigsten Methoden ansehen, denn diese Bezeichnungen finden wir auch in den Listen der Rohkaffeehändler, wenn wir einen entkoffeinierten Kaffee einkaufen wollen.
Entkoffeinierung mittels Dichlormethan (DCM)
Dichlormethan ist ein organisch-chemisches Lösungsmittel. Es ist auch unter dem Namen Methylchlorid bekannt. Als Lösemittel strömt es an den angefeuchteten Bohnen vorbei und nimmt das austretende Koffein in sich auf. In einem weiteren Schritt wird mittels Destillation das Koffein aus dem Lösungsmittel gewonnen. Es ist nun pulverförmig und findet seine Anwendung in der Kosmetikindustrie oder anderen Produkten der Getränkeindustrie. Der Restgehalt von Dichlormethan im Röstkaffee darf laut Gesetz zwei Milligramm pro Kilo nicht überschreiten.
Entkoffeinierung mittels Ethylacetat
Das Verfahren mit Ethylacetat ist das gleiche wie bei Dichlormethan. Ehtylacetat fungiert als Lösemittel und nimmt das austretende Koffein aus der nassen Rohkaffeebohne mit. Allerdings weist Ethylacetat andere Eigenschaften als Dichlormethan auf, was es im Umgang anspruchsvoller macht. Es ist zum einen brennbar und stellt höhere Anforderungen an die Anlagen, die es einsetzen. Das Verfahren wird auch “sugarcane” genannt.
Entkoffeinierung mittels überkritischem CO2
Kohlenstoffdioxid weist im überkritischen Zustand zwei positive Eigenschaften für die Entkoffeinierung auf: Es ist beweglich wie Gas und besitzt eine Dichte wie die von Flüssigkeiten, z.B. Wasser. Das führt dazu, dass es schnell und selektiv das Koffein aus dem nassen Rohkaffee herauslöst. Andere Bestandteile, z.B. Lipide, des Rohkaffees bleiben weitestgehend in der Bohne enthalten.
Es gibt auch ein Verfahren mit flüssigem CO2, jedoch dauert der Prozess länger, weil es pro Durchgang weniger Koffein aus dem Rohkaffee löst.
Entkoffeinierung mittels Wasser
Wird Koffein mittels Wasser gelöst, stellt man zunächst einen koffeinfreien Extrakt her. Dieser weist eine Besonderheit auf: Er ist frei von Koffein aber enthält noch die anderen Inhaltsstoffe des Rohkaffees, die bei einer Entkoffeinierung normalerweise zusätzlich zum Koffein herausgelöst werden. Dieser Extrakt wird nun auf den Rohkaffee gegeben. Er entzieht dabei nur das Koffein, denn er ist mit den anderen Bestandteilen schon gesättigt, sodass diese in diesem zweiten Schritt im zu entkoffeinierenden Rohkaffee verbleiben. Es ist durch die zwei Stufen und die ungleichmäßige Extraktion ein eher teures Verfahren der Entkoffeinierung.
In den Listen der Rohkaffeehändler findest du dann Informationen wie „CO2“ oder „DCM“ oder „Water“. Gut zu wissen: Laut Gesetz dürfen für die Entkoffeinierung von Bio-Kaffee nur die Verfahren mit CO2 und Wasser eingesetzt werden.
Lohnt sich ein entkoffeinierter Kaffee als fester Bestandteil deines Sortiments? 5 Tipps
Um diese Frage zu beantworten, blicken wir auf den Markt und die Kaffeetrinker.
Deutschland exportiert vor allem beträchtliche Mengen entkoffeinierten Rohkaffees, seit 2016 mit steigender Tendenz (Quelle: Deutscher Kaffeeverband, Marktbericht 2020/2021). Vor allem in die USA, nach Spanien und in die Niederlande geht der entkoffeinierte Rohkaffee.
Laut Tchibo Kaffeereport 2021 liegt der Anteil von entkoffeiniertem Kaffee bei 2,2 Prozent. Das ist ein stabiler Wert bezogen auf die letzten fünf Jahre. Vor zehn Jahren, 2012, lag der Anteil noch bei 3,2 Prozent.
Es gibt einige Kaffee-Anbieter, die sich auf entkoffeinierten Kaffee spezialisiert haben. Einige Beispiele sind
- „Ohne“ aus Hamburg
- „Mutterherzkaffee“ aus Vierden
- „No Coffee“ aus Erfurt
Ob entkoffeinierter Kaffee zu dir und deinem Konzept passt, entscheidest du. Wir haben dir 5 Tipps zusammengetragen, die bei einer Entscheidung vielleicht nützlich sind:
Tipp 1: Falls du überlegst einen entkoffeinierten Kaffee ins Programm zu nehmen, lasse dir von verschiedenen Rohkaffeehändlern Proben zusenden. Verkoste sie und bilde dir dann ein Urteil. Entkoffeiniert ist nicht gleich entkoffeiniert und durch die verschiedenen Arten der Entkoffeinierung unterscheiden sich die Bohnen in der sensorischen Wahrnehmung. Plus, vielleicht schwebt dir ein entkoffeinierter Kaffee aus einem bestimmten Anbauland vor, oder ein Kaffee mit einer bestimmten Zertifizierung, zum Beispiel Bio.
Tipp 2: Falls du nur gelegentlich mal etwas Decaf-Kaffee brauchst, lohnt es sich eventuell, diesen bei einem befreundeten Röster einzukaufen. In unserem Beispiel: Du hast ein Café oder einen Ausschank. Deine Kunden fragen immer gelegentlich nach entkoffeinierter Kaffee. Die Menge ist zu klein zum selbst rösten, aber zu groß, um sie zu ignorieren. Hier kann es sich lohnen, einen gerösteten Decaf von einem Kollegen einfach einzukaufen.
Tipp 3: Als Alternative zu entkoffeiniertem Kaffee kann sich ein Blick auf Getreidekaffee, namentlich Lupinenkaffee, lohnen. Dieser ist tatsächlich koffeinfrei und darf auch so beworben werden. Einige Röstungen stehen einem Brasil Santos in nichts nach und begeistern sogar treue Kaffeetrinker.
Tipp 4: Manch eine Varietät besitzt von Natur aus weniger Koffein als andere. Die Varietät Laurina hat hier auf sich aufmerksam gemacht in den letzten Jahren. Sprich mit deinem Rohkaffeehändler darüber und welche Möglichkeiten er sieht.
Tipp 5: Es kann sich lohnen einen Kaffee ins Sortiment zu nehmen, der eine gute Mischung aus geringem Koffeingehalt und gutem Geschmack darstellt. In diesem Blend können wir zur Hälfte einen guten entkoffeinierten Kaffee geben und zur anderen Hälfte einen harmonierenden koffeinhaltigen Kaffee. Die Kundschaft wird entscheiden, ob sie das Angebot annimmt.
Zusammenfassung
Entkoffeiniertem Kaffee fehlt etwas: Natürlich das Koffein, doch werden während des Verfahrens oft noch andere Bestandteile des Rohkaffees mit entzogen. Das Ergebnis ist ein Rohkaffee, der vor dem Rösten schon eine Behandlung durchlaufen hat. Er weist andere Eigenschaften auf, zum Beispiel eine andere Farbe, andere Dichte und eine andere Struktur. Diese Eigenschaften gilt es beim Rösten zu beachten. Denn die Röstphasen verkürzen sich, der Kaffee trocknet schneller und erreicht früher den First Crack.
Neben entkoffeiniertem Kaffee gibt es noch andere Möglichkeiten, Kunden ein Kaffee-Erlebnis mit wenig oder sogar ohne Koffein zu bieten. Dazu zählen von Natur aus koffeinarme Varietäten, Blends aus koffeiniertem und entkoffeiniertem Kaffee, oder Lupinenkaffee, der sogar als koffeinfrei beworben werden darf. Denn auch wenn entkoffeinierter Kaffee bemerkenswert wenig Koffein enthält, so darf er nicht als koffeinfrei ausgelobt werden. Hier droht schnell eine Abmahnung. Denn: Es besteht stets die Möglichkeit, dass noch ein Rest Koffein enthalten ist.
Schon gewusst:
„Koffeinfrei“: Gilt nur für Getreidekaffee. Kaffee aus entkoffeinierten Kaffeebohnen enthält immer noch etwas Koffein. Der Gesetzgeber untersagt daher die Bezeichnung „koffeinfrei“ für entkoffeinierten Kaffee. Der gesetzliche Grenzwert für noch vorhandenes Koffein, auch Restkoffein genannt, liegt bei 0,1 Prozent. Das bedeutet, dass entkoffeinierter Kaffee höchstens 1 Gramm Koffein bezogen auf ein Kilogramm Trockenmasse aufweist.
Gewachst: Manche entkoffeinierte Bohne wird nach dem reinigen noch mit Carnaubawachs überzogen. Dies bewirkt, dass die Bohnen schneller durch die Anlagen fließen und verändert die Poren, denn das Wachs verschließt sie wieder und wirkt dadurch auf das Röstverhalten.
Laurina: Anstelle eines entkoffeinierten kann es lohnen, einen Kaffee mit einem von Natur aus niedrigerem Koffeingehalt Ausschau zu halten. Die Varietät Laurina käme möglicherweise in Frage.
Roselius: 1905 gelang es dem Bremer Ludwig Roselius zum ersten Mal, Koffein aus dem Kaffee mittels eines eigenen Verfahrens, zu lösen. Er patentierte es 1906 und brachte seinen Kaffee unter der Marke „Kaffee Hag“ auf den Markt.