Und? Wie war’s? Der erste Specialty Coffee Award blickt auf einen erfolgreichen ersten Durchgang
22 Filterkaffees und 16 Espressi später war klar: Das war stark!
Zum ersten Mal fand der Specialty Coffee Award statt und am 7. November trafen sich ausgewählte Jury-Mitglieder zum gemeinsamen Verkosten in Hannover. In den Räumen von Thomas Brinkmann Consulting evaluierten sie 38 Kaffees von 15 Röstereien aus 3 Ländern. Am Ende beantwortet der Qualitäts-Check die Frage: Ist dieser Kaffee „Specialty Coffee“?
Dieser Artikel ist für dich, wenn
du wissen möchtest, wie ein Qualitäts-Check für Specialty Coffee aussehen kann
du überlegst, beim nächsten Durchgang mit dabei zu sein (also dein Kaffee)
welchen Referenzkaffee wir gewählt haben
mit welchem Ergebnis die besten Kaffees abgeschnitten haben
Kaffees, die im Ergebnis mehr als 80 Punkte erreichten, erhielten das Prädikat „sehr gut“, bei Kaffees mit mehr als 85 Punkten gab es das Prädikat „excellent“. „Einzig die Punktzahl sagt über einen Kaffee noch nicht viel aus“, erklärt Thomas Brinkmann, in dessen Räumen die Verkostung stattfand. „Die Beschreibungen der sensorischen Eigenschaften ergeben erst das ganze Bild eines Kaffees. Ich will ja wissen, was ich mir in der Tasse vorstellen kann, wenn ich diesen Kaffee trinke. Detaillierte Geschmacksbeschreibungen sind ein wichtiges Merkmal von Specialty Coffee“.
Die Punktzahl ergibt sich in diesem Falle aus einem Kaffee-Bewertungsbogen, der an das Bewertungs-System der Specialty Coffee Association (SCA) angelehnt ist. Dabei erfasst ein Verkoster die Eigenschaften eines Kaffees in 10 Kategorien und gleicht die Qualität der einzelnen Eigenschaften stets mit denen eines ausgewählten Referenzkaffees ab.
Als Referenzkaffee für den Filterkaffee entschieden wir uns für einen Guatemala SHB/EP mit 82 Punkten mit einer leichten Frucht und nussigen Aromen, gut eingebundener Säure, harmonisch, einem gleichmäßigen Mundgefühl und einem leicht bitter, meist süßlichen Nachgeschmack bei einer guten Balance aller Attribute im warmen wie im kalten Zustand. Für die Verkostung der Espressi verwenden wir einen leicht angepassten Bewertungsbogen und einen Referenzkaffee mit 70 Prozent Arabica-Anteil und 30 Prozent Canephora-Anteil.
Es geht nicht nur um Punkte
Die Jury war also gefordert, jeden Kaffee sensorisch zu evaluieren und zu einer Punktzahl zu gelangen. Dazu galt es aber auch noch, die einzelnen Attribute in Beschreibungen zu fassen. Welche Aromen bringt der Kaffee im gemahlenen Zustand mit? Welche Flavors nehme ich bei der Verkostung wahr? Wie lässt sich die Qualität der Säure am besten beschreiben?
Diese Beschreibungen fallen beim Specialty Coffee Award nicht vom Himmel und die Jury muss sie sich auch nicht ausdenken.
Die Wahl der vorgegebenen Begriffe fiel auf das Vokabular von World Coffee Research und dem Cup of Excellence. Beide ergänzen sich gut für das gesamte Spektrum von schalen, verbrannten, röstigen, pappigen Aromen bis zu den fruchtigen Beschreibungen von Ananas, Melone und Blaubeere. Alle Begriffe werden in Form einer Check-All-That-Apply-Methode (CATA) erfasst, die wir aus der Sensorik-Forschung genommen haben.
Zusätzlich zur standardisierten Kaffee-Evaluation und der neuen CATA wollten wir von der Jury wissen: Arbeitet der Röster den Charakter des Kaffees heraus? Während wir die Antwort beim Filterkaffee nicht bewerten, ging diese Frage aber in die Bewertung der Espresso-Verkostung in das Ergebnis ein.
Die Jury erfasste die einzelnen Elemente sehr schnell und nach einer Kalibrierung ging es an die Löffel, respektive an die Kaffees.
Insgesamt 7 der 16 Espressi erhielten 85 Punkte oder mehr. Die Top 3 Kaffees in der Kategorie Espresso sind: „El Peruano“ Espresso-Blend von Green Roast (mit 87.3 Punkten), der „Elespresso“-Blend von Matthias Rehm (mit 87.12 Punkten) und der „Bamba“ Single-Origin Espresso von Chrew’s Coffee (mit 86.48 Punkten).
Bei den Filterkaffees erhielten 7 der 22 Kaffees mehr als 85 Punkte. Die Top 3 Kaffees in der Kategorie Filterkaffee sind: „Die Plietsche“ von Die Kaffeerei (mit 88.3 Punkten), „El Olmo“ von Green Roast (mit 87.25 Punkten) und „Buku Sayisa“ von Chrew’s Coffee (mit 87.15 Punkten).
Das gehört auch zu einem ehrlichen Check
Zur Realität eines ehrlichen Qualitäts-Checks gehört auch, dass manche Kaffees keine 80 Punkte erreichen. Dies war auch in diesem Durchgang der Fall und insgesamt 3 Espressi und 1 Filterkaffee blieben unter der magischen Grenze. Es bedeutet, dass diese Kaffees gute Kaffees sein können, nur die sensorische Anforderung an einen Specialty Coffee erreichen sie aktuell nicht.
Was den Qualitäts-Check auch so ehrlich macht, ist, dass die Jury keine Ahnung hat, welche Kaffees sie verkostet. Sie sind doppelt-blind codiert. Das heißt jeder Kaffee hat zwei Codes: Einen 3-stelligen, den er bei Ankunft bekommt. Und einen 4-stelligen, der seine Tasse auf dem Tisch bezeichnet. Selbst also, wenn ich dir die Tüte mit der Nummer 720 zeigen würde, kannst du sie mit keinem Kaffee auf dem Tisch in Verbindung bringen.
Getrennt in Raum und Zeit
Zudem ist die Vorbereitung von der eigentlichen Verkostung zeitlich und räumlich getrennt. Alle Kaffees werden vor der eigentlichen Verkostung codiert und abgewogen. In Abwesenheit der Jury. Und zu guter Letzt, macht der Vorbereiter (in diesem Falle ich, Nadine) bei der Verkostung nicht mit. Aus blanker Neugierde schlürfe ich mal einen Kaffee mit, doch ich evaluiere ihn nicht.
Kaffeeröster erhalten nach der Verkostung und der Auswertung Post. In dieser ersten Runde verschickten wir die individuellen Auswertungen je Kaffee mit Erklärungsbogen digital, und dazu per echter Post noch weiteres Material: ein Postkarten-Set mit 5 Motiven zum Verschenken an Kunden, einen A5 Flyer für Kunden, der die Frage aufbricht was Specialty Coffee so besonders macht, Buttons für den prämierten Kaffee und einen Hinterglas-Aufkleber für das Fenster der Rösterei, der anzeigt, dass es hier Specialty Coffee gibt. Die Auszeichnung gilt ein Jahr bis Ende 2024 und das Material kann jederzeit nachbestellt werden.
Sorgfalt über alles
Obwohl wir sehr geübt darin sind, Kaffees zu verkosten und zu beschreiben, und auch sehr geübt darin sind, Kaffee-Sortimente sensorisch zu evaluieren und zu entwickeln, und auch sehr geübt darin sind Panels auszubilden und anzuleiten, haben wir beim Specialty Coffee Award noch mehr Sorgfalt walten lassen.
Standortbestimmung
Denn es geht um was: Als Kaffeeröster willst du einen echten und 100% unabhängigen sensorischen Check deines Kaffees. Dieser hat für dich einen hohen Wert.
Zum einen gibt er dir eine Idee, wo dein Kaffee steht, welche Eigenschaften er mitbringt und wie ein unabhängiges und sehr erfahrenes Panel den Kaffee bewertet.
Zum anderen hast du als Kaffeeröster nun eine Abfederung deines Sensory-Claims für den individuellen Kaffee in der Tasche. Sollte mal jemand vorbei kommen und wissen wollen, woher denn die Beschreibungen deines Geschmacks kommen, kannst du gelassen das Ergebnis des Specialty Coffee Award zeigen.
Weil es immer enger wird
Die Auszeichnung kannst du als Kaffeeröster ebenfalls werbend einsetzen. Auch das ist viel wert, denn die Eigenschaften deines Kaffees zu bewerben wird immer schwieriger. Als Stichworte seien hier die „Health Claims“-Verordnung (keine Angaben zum Zusammenhang zwischen Gesundheit und Kaffee) und die „Green Claims“-Verordnung (umweltbezogene Aussagen; Green Claims Directive) genannt.
Zum Schluss ist es auch eine weitere Möglichkeit, mit deinen bekannten Kunden und vor allem mit neuen Kunden ins Gespräch zu kommen. Specialty Coffee muss noch oft erklärt werden, auch in Abgrenzung zu 08/15-Kaffee. Auch hier gibt der Specialty Coffee Award weitere Informationen, die verdeutlichen, warum dieser Kaffee so besonders ist.
Konzentration und Koffein-Gehalt
Unser Dank gilt der unermüdlichen Jury, bestehend aus Q-Gradern, Juroren von Kaffeemeisterschaften und dem Cup of Excellence, Rohkaffeehändlern und Absolventen des Coffee Sensory Master. Der Tag der Verkostung war lang und intensiv im Hinblick auf Konzentration und Koffein-Gehalt.
Unser Dank gilt auch allen Kaffeeröstern, die bei diesem ersten Durchgang mit dabei waren. Wir alle wußten nicht, was genau passieren würde und so danken wir sehr für das Vertrauen in den Prozess und das System.
Vorfreude auf 2024?
Der nächste Durchgang findet im April 2024 statt. Ideal für Ernten der Südhalbkugel, wie zum Beispiel Peru, Ecuador, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Indonesien, Papua-Neuguinea, Tansania, DR Kongo. Denn: Alt-Noten im Kaffee kosten echt Punkte. Daher sind wir zweimal im Jahr für euch da.