Nachgefragt bei Ann-Kathrin: Gerade gegründet und direkt einen Container Rohkaffee importiert – Wie kam es dazu?
Stell Dir vor, Du gründest Deine Rösterei. Und das erste, was Du tust, ist…? Genau, einen Container Rohkaffee selbst importieren.
Was Ann-Kathrin für ihre Rösterei Caraya Coffee gemacht hat, ist natürlich eine Ausnahme in der großen weiten Gründungs-Welt. Und genau deswegen drängen sich doch hundert Fragen auf, oder? 19 Fragen haben wir schon mal für Dich gestellt.
Dieser Artikel ist für dich, wenn
du dich immer schon mal gefragt hast, wie man eigentlich einen Container Rohkaffee importiert
du einen tieferen Einblick in das Kaffeeland Bolivien erhalten magst
du dich fragst, wo und wie man eigentlich anfängt und was es kosten kann, einen Container selbst zu importieren
für welche Art Kaffeerösterei es sich vielleicht lohnen kann, selbst zu importieren
Du hast einen Container Rohkaffee aus Bolivien selbst importiert. Wie viel Sack oder Tonnen waren in deinem ersten Container?
Hmm, das waren um die 100, 120 Sack zu je 60 kg.
Und im Verhältnis Arabica-Robusta? Kann man das sagen?
Alles Arabica. Weil ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wußte, das es Canephora in Bolivien gibt, das habe ich jetzt erst entdeckt. Das ist aber auch jetzt erst ein Ding, also mit Specialty Fine Robusta. Vorher war das nicht so. Auch Specialty Arabica ist erst seit 5 bis 6 Jahren relevant in Bolivien. Und jetzt kommt langsam der Canephora hinterher.
Und dann beim nächsten Container, kommt dann ein bißchen Fine Robusta aus Bolivien mit?
Ich wünschte es mir. Aber ich hab auch noch Zeit, weil die Ernte sich jetzt verschoben hat. Das wären ein oder zwei Sack, eventuell. Aber es ist halt sehr wenig, ja. Vielleicht auch erst nächstes Jahr.
Von wem kommen deine 120 Säcke Kaffee?
Die kommen von einer einzigen Kooperative. Ich habe mit meinem Mann gegoogelt und gebrainstormed, und habe viele Zoom-Gespräche geführt. Anfangs noch mit drei verschiedenen Kooperativen, dann waren es noch zwei, und nach den Pre-Shipment Samples war es nur noch eine.
Also nicht weil die anderen keinen guten Kaffee hatten, aber es war dann doch komplizierter von mehreren Leuten zu exportieren. Und die eine Kooperative hat eine schöne Palette, mit verschiedenen Rohkaffees. Das sind fast 300 Mitglieder und das sind größtenteils Familien, die ernten und ihre Kaffee-Kirschen abliefern.
Aber es sind auch ein paar dabei, die den Kaffee bei sich zu Hause schon prozessieren.
Ich hab auch einen Rohkaffee, der quasi von allen Kooperativen-Mitgliedern ist, geblendet sozusagen. Der kommt trotzdem über 80 Punkte, weil der danach noch selektiert wird. Aber es gibt auch einen Natural und einen Honey. Da haben sie selektiert und nur Kirschen ab einer Höhe von 1.500 Metern. Und dann auch nur von denen, die ihre Kaffeekirschen schön sortiert bringen, von Produzenten, die dann generell mehr „effort“ also Aufwand, da reingesteckt haben. Die kriegen dann auch ein bißchen mehr Lohn dafür. Und das motiviert sie, dass sie ein bißchen mehr bekommen als für den Kooperativen-Blend. Aber dadurch haben wir 4 verschiedene Rohkaffees von derselben Kooperative. Die Kaffees stammen alle von verschiedenen Höhen und aus einer Hand, das finde ich ganz gut.
Da hat man nur einen Ansprechpartner wahrscheinlich.
Ja, genau, es gibt einen Ansprechpartner, der auch relativ jung und motiviert ist. Ich hab ihn jetzt dieses Jahr erst persönlich kennen gelernt. Und die Kooperative gibt’s schon seit über 30 Jahren. Und über ihn habe ich jetzt in Bolivien von anderen Leuten auch gutes Feedback gehört und auch über die Kooperative. Das gibt mir ein bißchen besseres Gefühl. Aber tatsächlich war so der erste Eindruck erstmal nur über WhatsApp und so, und natürlich über die Samples.
Das klingt ja doch mutig. Hattest du das Gefühl, du kaufst die Katze im Sack?
Ja, das war auch risikoreich, würde ich mal sagen. Aber ich habe die Samples vorher bekommen. Vielleicht sage ich noch genau, wo das ist, die Kooperative. Das ist ungefähr 6 Stunden von La Paz entfernt, in der Region Caranavi, und dann ist es das Dorf Taipiplaya und 40 Gemeinden drum herum. Und die bringen ihren Kaffee alle nach Taipiplaya. Das sind fast 1,5 Stunden Anreise, aber dieser Beneficio Humedo, so nennt sich das, ist nunmal in Taipiplaya. Ja, das hätte auch schief gehen können.
Ist es aber nicht, oder?
Ja, hab ich auch im Nachhinein gedacht.
Ich habe dann auch hier, also im Communal Coffee, die Kaffees gecuppt, als eine Rösterin zu mir gesagt hat „Ach, Herzlichen Glückwunsch, du hast tolle Kaffees, du kannst stolz auf dich sein!“. Da dachte ich so „Gott sei Dank!“.
Das ist ja auch nicht mein Verdienst. Gott sei dank hat alles so geklappt das erste Mal. Vor allem bei der Menge. Das würde ich jetzt nicht mehr so machen. Mein Gedanke war: Der Container ist teuer, der Import-/Export ist total aufwendig, und wenn ich ihn einmal hier habe, dann ist das gut, und dann nehme ich gleich mehr.
Aber ich importiere dieses Jahr auch weniger. Ich kann ja dann immer wieder auch jedes Jahr neu bestellen, und das ist ja dann auch schöner irgendwie zu wachsen, mit denen zusammen. Anstatt jetzt jedes Jahr wieder runter stufen zu müssen.
Wenn du beschreibst, der Import und Export ist so aufwendig: Was macht es so aufwendig?
Also erstmal bestimmte Kaffees in einer bestimmten Qualität zu bekommen. Und dann überhaupt in einer bestimmten Menge, weil Bolivien generell nicht viel Produktion hat. Dazu kommt noch, dass es dort mit Specialty Coffee auch erst vor 3, na 4 Jahren angefangen hat.
Das heißt also, von dieser Kooperative waren das die zweiten Naturals und Honey, die sie jemals gemacht haben. Und dafür fand ich die schon ziemlich gut. Ich hab mir dann gedacht, dass die Pre-Shipment-Samples mir so gut gefallen haben, die hab ich dann schon mal hier. Wer weiß wie die Ernte nächstes Jahr ist.
Aber es war auch so, dass Bolivien keinen Meer-Zugang, also keinen Hafen hat. Deswegen schien es am Anfang schwierig, einen Container in das Land zu bekommen. Mitte 2022 war das, da hat sich das gerade so aufgelöst nach Covid, dass die Container weltweit wieder einigermaßen an Ort und Stelle kamen.
Aber zu dem Zeitpunkt wo ich exportieren wollte, musste ich doch noch 4 bis 5 Wochen auf einen Container warten. Weil der von Chile erstmal im Inland transportiert werden muss. Und dann gibt es eine Lagerhalle von Maersk, wo die Container lagern. Das alles schien mir kompliziert, weil ich dachte, dann muss der Container erstmal von da nach Chile, aber im Endeffekt, hat die Kooperative als Exporteur sich auch darum gekümmert.
Es war, glaube ich, eher mein Unwissen, und, dass ich so am Anfang stand und Neues lernen musste. Aber jetzt scheint es gar nicht mehr so kompliziert.
Um die ganzen Papiere, auch die Papiere für Chile und so weiter, hat die Kooperative sich gekümmert. Ich habe FOB eingekauft, von daher habe ich das nach Chile geliefert bekommen, an den Hafen, und ab da war ich zuständig, sozusagen.
Das heißt, den Container bestellen und ihn zur Kooperative zu bekommen, darum hat sich die Kooperative gekümmert. Sie hat den beladen, nach Chile geschickt in den Hafen und haben dann gesagt, so Ann-Kathrin, das ist jetzt dein Container. Verstehe ich das so richtig?
Genau. Für die Kooperative war das auch eine Herausforderung. Wir haben gemeinsam den Container beschafft, würde ich sagen. Ich hab in Bolivien keinen erreicht bei Maersk, und dann bin ich bei HH Süd, hier rausgekommen.
Auf jeden Fall hat mein Kontakt von HH Süd mir einen direkten Kontakt in Bolivien beschafft, weil es da einen Personalwechsel gab oder was auch immer. Und durch den direkten Kontakt in Bolivien, den dann die Kooperative kontaktiert hat, haben wir dann den Container erhalten. Es war schon ein bißchen unpraktisch. Ich würde sagen, wenn man jetzt nicht spanisch spricht oder mit der Person direkt kommunizieren konnte, da wird das Ganze nicht so zugänglich.
Und dann stelle ich mir das praktisch so vor: Da kommt ein Lkw an, der hat einen 20 Fuß-Container hinten drauf und dann lädt der den ab bei der Kooperative und die laden die Säcke dort rein?
Also jein: Die Kooperative musste selber den Lkw bestellen und den Container abholen. Aus dem Zentrallager von Maersk. Die mussten quasi ihren Container abholen, den Container beladen, und dann mussten sie ihn ja vor Ort verschließen. Da gehören dann noch die ganzen Papiere dazu. Es war auf jeden Fall so, dass die ihn abgeholt haben, den Container.
Der Laster mit dem Container fährt dann nach Chile in den Hafen und geht dann von da auf’s nächste Schiff?
Ja, genau. Da steht der nicht lange, dann geht der relativ schnell aufs nächste Schiff, und dann hat er glaube ich zwei Umstiege. Also einmal in Peru und einmal in Panama.
Das kann man sich vorstellen wie einen Umstieg mit der Bahn.
Ja, der Container steigt dann um auf verschiedene Schiffe. Genau.
Kannst du das dann auch beobachten? Gibt es da einen Tracking-Code?
Ich konnte das tracken. ich konnte immer sehen auf welcher Stelle vom Ozean er ist, dank dieses StartUps von Maersk, das nennt sich Twill. Das war viel zugänglicher als Maersk selber. Twill ist eine Tochtergesellschaft, und die haben das alles digitalisiert. Das heißt, ich konnte alles online auch hochladen, und die Export-Papiere konnte die Kooperative online hochladen, und ich brauchte die gar nicht im Original oder so. Das war relativ umkompliziert.
Das heißt, du machst den Vertrag mit Maersk und die bringen den Container sozusagen dann frei Hamburg oder frei Bremen?
Genau, die machen aber auch Services wie zum Beispiel die Zollabwicklung. Ich hätte auch To-Door-Transport noch mit organisieren können, und theoretisch hätte ich auch den Transport von der Kooperative nach Chile organisieren können. Aber da ich selber noch so neu war, habe ich die das machen lassen.
Jetzt haben sie die einzelnen Schritte aber tatsächlich durch mich implementiert. Du konntest vorher nicht ab La Paz buchen. Aber seit letztem Jahr haben sie das implementiert und jetzt kannst du den Transport auch ab La Paz buchen und La Paz wird dir als Hafen angezeigt, auch wenn das kein Hafen ist. Aber die haben dadurch jetzt ihre Schnittstellen.
Und Maersk bringt den Container nach Hamburg und macht für dich auch die Zollabwicklung fertig?
Genau. Mein Container wurde auch angehalten, also auch auf Kokain durchsucht. Danach wurde mir gesagt, dass jeder Container auf Kokain durchsucht wird, der aus Bolivien kommt. Das wußte ich aber nicht und habe dann auch die Demurrage bezahlt. Twill hat das relativ schnell für mich organisiert, weil je länger der Container steht, desto länger muss ich dann bezahlen, obwohl ich ja kein Kokain importiere.
Aber die Kontrolle muss ich bezahlen, sozusagen. Ich war auch super dankbar, weil sie mir sofort Bescheid gegeben haben, und dann haben sie innerhalb von 5 Minuten gesagt, sie machen jetzt Druck, dass der nicht zu lange steht. Das war total gut von denen. Weil das hättest du selbst ja gar nicht machen können. Also die hatten da dann ihre Kontakte und beim Zoll jemanden sitzen, den die angerufen haben, genau.
Und was kostet so eine Demurrage?
Ich habe für 1 Stunde 500 Euro bezahlt, in etwa…… Aber ich weiß, dass es sehr teuer war, und dachte dabei „oha“, vielleicht war es auch ein halber Tag und nicht eine Stunde. Das hab ich nicht einkalkuliert das letzte Mal, und jetzt weiß ich aber was auf mich zukommt.
Gab’s jemanden, der dir bei der Finanzierung geholfen hat? Wenn ich 120 Sack Rohkaffee kaufe, sind das ja ein paar Euro.
Ja, ich habe ein Darlehen von einer Firma, die meinem Onkel gehört. Damals war der Zinssatz bei der IBB über 7%, von denen hätte ich etwas bekommen, wollte ich aber bei 7% nicht, und bei der Firma von meinem Onkel konnte ich etwas bekommen, aber zu besseren Konditionen. Die mussten trotzdem marktüblich sein, weil das keine Schenkung sein darf, aber die Konditionen waren jetzt kulanter als bei der IBB. Genau, so habe ich es gemacht und so bleibt es auch in der Familie.
Du hast mal gesagt, nachdem du den ganzen Prozess hinter dir hattest, „das sei so einfach, warum das nicht jeder Röster macht“. Ist das noch so?
Ich würde jetzt auf Grund der hohen Fixkosten nicht jedem Röster empfehlen, seinen eigenen Container aus jedem Land zu holen. Für mich ist es immer noch gut, weil ich mich nur auf Bolivien konzentriere. Vom Prozess her ist es super einfach, inzwischen hinterfrage ich schon, ob man unbedingt selbst den Container importiert haben muss, oder ob man nicht von jemandem kauft, wo man weiß, dass er direkt handelt. Ich glaube, das ist genauso ethisch korrekt.
Bei mir war es aber auch so, dass aus dem Ursprung einfach auch nichts auf dem deutschen Markt gab, also zumindest nicht von der Kooperative oder in der Qualität.
Genau, deswegen habe ich mich da so reingestürzt. Aber wenn jetzt, sagen wir mal, eine Rösterei mit drei Ursprüngen arbeitet, und das in einem Ursprung etwas mehr wird, empfehle ich auf jeden Fall diese Plattform Twill.
Also ich kann da auch sagen, was ich insgesamt bezahlt habe, also mit der Demurrage waren das am Ende 6000 Euro. Aus anderen Ländern ist es vielleicht günstiger, das Gute ist halt, dass man auf der Plattform auch direkt sehen kann, wie viel das kostet. Das ist etwa wie bei Deutsche Bahn Online. Einfach die Reiseroute eingeben, und dann kommen da direkt Preise und Verfügbarkeiten. Also auch über die nächsten Monate, das schwankt auch etwas pro Woche. Sehr praktisch. Man kann da einfach mal gucken, wie viel das kosten würde.
Ab wie viel Sack pro Origin könnte man man drüber nachdenken, deiner Meinung nach?
Ne, ich glaube, das muss jeder für sich entscheiden. Bei mir war es jetzt ein halber Container. Ich habe damals gesagt, unter einem halben Container will ich es nicht machen, weil die Fixkosten so hoch sind. Inzwischen würde ich auch einen viertel Container nehmen. Wenn’s halt nirgendwo anders was gibt.
Ich würde mich aber vorher informieren, oder man kann sich auch was teilen. Aber ich hab jetzt von anderen auch gehört, dass die teilweise nur nen Viertel-Container hatten, und dann über die Jahre gewachsen sind. Kommt auf die Intention drauf an, wenn du mit dem Ursprung wachsen willst, macht es glaube ich Sinn, auch am Anfang weniger zu nehmen.
Du spezialisiert dich jetzt auf einen Ursprung: Kann es denn für Caraya Coffee auch sein, dass Kaffee aus einem anderen Anbauland noch dazu kommt?
In den nächsten 5 Jahren glaube ich nicht. Ich war jetzt das erste Mal auch nur für Kaffee in Bolivien, und nicht so freizeitmäßig. Es gibt einfach so viel, das hätte ich gar nicht gedacht! Also, ich habe auch teilweise Kaffees probiert, die mich eher an afrikanische Ursprünge erinnert haben. Es gib in Bolivien so viele Mikro-Klimata und Regionen und das wurde noch nicht ausgeschöpft.
Ich habe zum Beispiel jetzt aus einer Region etwas probiert, was vorher noch bei niemandem auf dem Radar war, das ist Kaffee aus der Region Cochabamba. Vorher haben alle immer nur La Paz oder Santa Cruz auf dem Schirm, wenn überhaupt. Aber da in Cochabamba, da tut sich auch etwas und das ist wieder ein völlig anderer Geschmack. In Bolivien haben sie immer so ein nationales Tournament, einen Wettbewerb, und die ersten fünf Gewinner sind alle aus der Region Cochabamba. Das ist ganz toller Kaffee.
Mit Caraya Coffee ich bin noch nicht so groß, aber ich wünsch mir, wenn ich wachse, dass ich dann mehrere Ursprünge aus Bolivien, weil die so unterschiedlich sind, darstellen kann. Und das ist eigentlich mein Wunsch. Und momentan sehe ich keinen anderen Ursprung.
Und als Abschlussfrage: Dein Kaffee liegt jetzt wo in Deutschland?
In Hamburg und eine kleine Menge hier, bei Communal Coffee.